Solarstrom auf dem Dach mit Nachbarn teilen: Dank virtuellem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV) ist dies nun möglich, ohne eigene Zählerinstallationen. Quelle: 3S Swiss Solar Solutions AG

Neue Chancen mit Nachbarschaftsstrom

Das neue Stromgesetz schafft neue Chancen für Solaranlagenbesitzer: Dank virtuellen Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (vZEV) können sie Solarstrom nun einfacher mit Nachbarn teilen. Ab 2026 eröffnen sich mit lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) neue Möglichkeiten für die regionale Vermarktung von Solarstrom.

Von Irene Bättig, Sprachwerk im Auftrag von Swissolar

Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Stromversorgung mit erneuerbaren Energien haben in der Solarbranche viel Staub aufgewirbelt. Variable Einspeisetarife für Solarstrom und eine mögliche Begrenzung der Einspeisung bei sehr hoher Produktion verunsichern Eigentümerschaften, eine Solaranlage zu installieren. Im Gegenzug sind die Rahmenbedingungen deutlich besser, um den Eigenverbrauch von Anlagen zu steigern oder den Strom lokal zu vermarkten. Dies erhöht die Wirtschaftlichkeit entscheidend. «Das Marktumfeld für die Solarstromproduktion ist heute zwar etwas komplexer», so Matthias Egli, Geschäftsleiter von Swissolar. «Aber die neuen Möglichkeiten zum lokalen Absatz machen die Solarenergie insgesamt klar attraktiver.»

Den Strom mit Nachbarn teilen

Schon seit einigen Jahren können sich Parteien in einem Haus oder einer Siedlung zum Eigenverbrauch zusammenschliessen (ZEV, Zusammenschluss zum Eigenverbrauch). Damit kann Solarstrom an Mietparteien im gleichen Haus oder an direkt benachbarte Liegenschaften verkauft werden. Weil dafür private Stromzähler und Stromleitungen notwendig sind, wurden ZEV meist nur in Neubauten oder bei Totalsanierungen realisiert. Seit Anfang Jahr sind nun virtuelle Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (vZEV) möglich. Neu dürfen die Zähler der Energieversorgungsunternehmen (EVU) für die ZEV-Abrechnung genutzt werden. «Damit fallen hohe Kosten für die Installation privater Zähler weg», erklärt Egli. «Zudem können die ZEV-Teilnehmenden neu ohne physische Installationen einfach hinzugefügt oder entfernt werden.»

Auf einer Wohnsiedlung der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern wurde 2024 eine Photovoltaikanlagen installiert. Dank Eigenverbrauchslösung des lokalen Energieversorgers können die Mietenden direkt Strom vom eigenen Dach beziehen.
Quelle: Be Netz AG

Auch Liegenschaften in der Nachbarschaft können in einen vZEV aufgenommen werden. Voraussetzung ist, dass sie am gleichen Verteilkasten bzw.an der gleichen Sammelschiene einer Trafostation angeschlossen sind. Das lokale Energieversorgungsunternehmen (EVU) bilanziert Bezug und Einspeisung und liefert den ZEV-Betreibern die notwendigen Daten für die Abrechnung. Diese Dienstleistung muss das EVU kostenfrei anbieten. Für die Zähler fallen die gewohnten Mietgebühren an, die auch ohne vZEV von den Stromkunden berappt werden.

Win-Win für Stromproduzenten und -bezüger

Ob sich Stockwerkeigentümerschaften, die Mieterinnen und Mieter in einer Siedlung oder Gewerbetreibende mit der Nachbarschaft zu einem ZEV oder vZEV zusammenschliessen – meist wird die Stromabrechnung an einen speziellen Dienstleister übergeben. Denn je mehr Parteien – und allenfalls auch mehrere Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) – an einem ZEV beteiligt sind, desto komplexer wird das Datenhandling.

Mit einem vZEV kann der Betreiber der PV-Anlage den Solarstrom zu besseren Konditionen absetzen als bei einer Netzeinspeisung. Dies verbessert die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Aber nicht nur für den Anlagenbetreiber ist diese Lösung interessant. Auch die Strombezüger profitieren. Denn sie bezahlen für den Solarstrom aus der Nachbarschaft in jedem Fall weniger als für den Strom vom Netz.

Lokale Elektrizitätsgemeinschaften ab 2026

Während in ein vZEV nur die nähere Nachbarschaft Solarstrom teilen kann, werden sich ab 2026 Solarstrom-Produzenten und -Konsumenten über ganze Quartiere oder Gemeinden in sogenannten lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) zusammenschliessen können. «Dank der neuen Gesetzgebung darf die LEG den Solarstrom über das öffentliche Stromnetz leiten», so Egli. Und sie muss dafür nicht die vollen Netznutzungsentgelte berappen. Auf die Gebühren, die aktuell bei 12.18 Rp/kWh liegen, wird ein Abschlag von 40 % gewährt.

Die Mietenden an der Glaubtenstrasse können Strom vom eigenen Dach beziehen. Dank vZEV ist sind solche Eigenverbrauchslösungen in Bestandsbauten deutlich einfacher und günstiger.
Quelle: ewz, Fabrice Göldi

Eine LEG ist sowohl im Kleinen wie auch im Grossen möglich: So kann ein Landwirtschaftsbetrieb mit einer grossen PV-Anlage auf dem Scheunendach seinen Strom neu seinen Bekannten im Dorf, dem Alterszentrum oder lokalen Gewerbetreibenden verkaufen. Eine andere Variante ist, dass eine grössere Gemeinschaft im Quartier oder der Gemeinde entsteht, in der verschiedene PV-Produzenten und -Konsumenten den lokalen Solarstrom untereinander teilen. Voraussetzung ist, dass die LEG-Teilnehmenden in der gleichen Gemeinde liegen und beim gleichen Verteilnetzbetreiber sowie auf der gleichen Netzebene angeschlossen sind. Während eine LEG zwischen einem grösseren Produzenten und definierten Abnehmern organisatorisch noch einigermassen übersichtlich ist, werden grössere LEG mit zahlreichen Teilnehmenden eine entsprechende IT-Infrastruktur erfordern. Erste Lösungen sind bereits im Markt erhältlich, LEG-Plattformen von privaten und öffentlichen Akteuren werden vielerorts entstehen.

Während sich beim ZEV (gelb) die Strombezüger hinter dem gleichen Stromanschlusspunkt befinden müssen, reicht es im vZEV (orange), wenn die Teilnehemenden an der gleichen Verteilkabine angeschlossen sind. Noch weiter geht eine LEG (rot): Hier müssen sich alle Teilnehmenden auf der gleichen Netzebene eines Verteilnetzbetreibers befinden.

Minimalvergütung für Einspeisung

Mit einem ZEV, vZEV oder einer LEG kann Solarstrom einfacher lokal, direkt in der Nachbarschaft vermarktet werden. Damit können Anlagenbetreibende einen allfälligen Rückgang der Abnahmevergütung kompensieren. Die Abnahmevergütung der Verteilnetzbetreiber kann neu vierteljährlich rückwirkend anhand der durchschnittlichen Referenzmarktpreise festgelegt werden, voraussichtlich ab. 1.7.2026 richtet sich die Minimalvergütung nach dem stündlichen Spotmarktpreis zum Zeitpunkt der Einspeisung. So erhalten Produzenten bei Stromknappheit höhere Tarife, im Sommer bei hohem Solarstromangebot wird dafür weniger vergütet. Für Anlagen bis zu 150 kW hat der Bund jedoch eine Minimalvergütung festgelegt. Diese beträgt für Anlagen bis 30 kW 6 Rp./kWh, ab 30 kW bis 150 kW sinken sie gemäss Leistung von 6 Rp./kWh bis auf 1.2 Rp./kWh. Entgegen anders lautenden Medienberichten wäre eine solche Minimalvergütung auch im Rahmen eines Stromabkommens mit der EU zulässig. «Viele Verteilnetzbetreiber werden voraussichtlich jedoch höhere Abnahmevergütungen bezahlen», relativiert Swissolar-Geschäftsführer Matthias Egli. «Denn sie können ihren Kunden im gebundenen Strommarkt für Solarstrom bis zu 11.9 Rp. verrechnen.»

Verteilnetzbetreiber erhalten zudem neu das Recht, die Einspeisung von Solaranlagen zu begrenzen, um das Netz zu entlasten. Dies geschieht nur nach vorgängiger Vereinbarung mit den Anlagenbesitzenden und muss vergütet werden, falls die Verluste 3 % der Jahresproduktion übersteigen. Dabei wird nur die Einspeisung gestoppt, nicht aber die Produktion. Der Eigenverbrauch ist davon also nicht tangiert. Laut Egli macht eine solche Abregelung für die Solarenergie durchaus Sinn: «Durch das Kappen von Einspeisespitzen braucht es weniger Investitionen in den Netzausbau. So können wir die Photovoltaik schneller ausbauen.»

Während beim ZEV private Zähler benötigt werden, können bei einem vZEV die Zähler des Verteilnetzbetreibers genutzt werden. Dieser berechnet die Strombezüge und Einspeisungen des vZEV mit einem virtuellen Zähler an der an der gemeinsamen Verteilkabine.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LokalerStrom.ch: die umfassende Informationsplattform

Die Informationsplattform LokalerStrom.ch liefert neutrale und umfassende Informationen zu Fragen rund um ZEV und LEG, auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Plattform wird vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen und Swissolar mit der finanziellen Unterstützung von EnergieSchweiz betrieben.

Auf LokalerStrom.ch finden Produzenten, Konsumenten, Verteilnetzbetreiber und LEG-Betreiber Hilfestellungen für die Umsetzung von Projekten zum Teilen von lokalem Strom:

  • Umfassende Informationen zu den drei Modellen ZEV, vZEV und LEG
  • Checklisten für die Umsetzung lokaler Stromprojekte
  • Diverse Vorlagen für den Betrieb einer LEG oder eines vZEV, von der Gründung über die Verrechnung bis zur Auflösung
  • relevante Gesetzestexte und Branchendokumente

Die Website wird laufend mit Informationen und Umsetzungsbeispielen ergänzt.

www.lokalerstrom.ch

 

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