Feuerwehr vor brennemden Gebäude
Ein Brand in einem öffentlichen Gebäude gefährdet nicht nur Personen, sondern richtet oft auch hohen Sachschaden an. Ein effizienter Brandschutz hält den Schaden klein. (Bild: Schutz & Rettung Zürich)

Brände am PC simulieren

Erfüllt ein Neubau die Brandschutzanforderungen nicht, fallen teure Nachbesserungen an. Simulationen würden oft schon vor Baubeginn zeigen, wo das Problem liegt. Zudem können die Simulationen genutzt werden, um verschiedene Varianten durchzuspielen und beispielsweise die Platzierung der Brandschutzklappen und Sensoren zu optimieren.

Simulation über Brandausbreitung
Die Simulation zeigt, wie sich ein Brand ausbreitet, wie sich Rauch und Hitze entwickeln. Hier ein brennender Papierkorb in einem offenen Bürogebäude. (Bild: Combustion and Flow Solutions)

Von Christian Lämmle, Combustion and Flow Solutions GmbH
www.combustion-flow-solutions.com

Zuerst glimmt die Zigarette nur, die unachtsam in den Papierkorb geworfen wurde. Langsam beginnt der Plastiksack daneben zu motten.

Doch plötzlich entflammt die Gratiszeitung darunter. Der Papierkorb brennt nun lichterloh. Das Feuer greift rasch auf die Kartons im Lager der Kleiderboutique über und schon verteilt sich der Rauch im Einkaufszentrum.

Solche Szenarien müssen beim Bau von Einkaufszentren, Bürogebäuden und weiteren Bauwerken mit Publikumsverkehr berücksichtigt werden. Ein Brand muss rasch detektiert und der Rauch effizient abgeführt werden können, damit die Personen aus dem Haus flüchten können. Bevor ein grosses Gebäude in Betrieb genommen wird, testen die Brandexperten deshalb auch den Rauchabzug mit Nebelpetarden oder kleinen, kontrollierten Bränden. Nur wenn der Rauch abzieht und für Personen keine Gefahr besteht, darf das Gebäude für das Publikum geöffnet werden.

Feuerwehrmann bei einer Übung
Der Rauch ist oft gefährlicher als das Feuer selbst (das Foto zeigt die Feuerwehr bei einer Übung). Entsprechend wird auch bei Simulationen vor allem der Rauch beachtet. (Bild: Schutz & Rettung Zürich)

Berliner Flughafen

In Berlin im brandenburgischen Schönefeld wird zurzeit der neue Flughafen für die Grossstadt gebaut. 2006 war der Spatenstich, 2012 hätte der internationale Flughafen eröffnet werden sollen. Er ist aber immer noch eine Baustelle, ein Termin für die Eröffnung ist nicht in Sicht. Eines der grösseren Probleme: Der Rauch würde sich bei einem Brand in den Ankunfts- und Abflughallen stauen, die Leute würden rasch die Orientierung verlieren und ersticken. Wo liegt der Fehler? Das Brandschutzkonzept sah vor, den Rauch nach unten in den Keller abzuziehen und mehrere Hundert Meter weiter auf der Seite der Gebäude ins Freie zu blasen. Nur, das funktioniert nicht. Der Rauch steigt nach oben und verteilt sich in den Hallen.

 

 


Am PC simulieren

Nicht immer sind die Fehler so gravierend, aber bei jedem Gebäude wird es teuer, wenn nach der Fertigstellung zusätzliche Abluftschächte installiert werden müssen. Dabei gäbe es die Möglichkeit, schon vor dem Rohbau die Brandschutzmassnahmen zu testen: In der Simulation auf dem Computer. Die Räume werden digital nachgebildet und der Brand durchgerechnet. Wie bei einem echten Brand mottet das digitale Feuer erst einmal nur. Dann entstehen offene Flammen, der Brand wird heisser und es entsteht immer mehr Rauch. Dieser verteilt sich nun in den simulierten Räumen, die Rauchausbreitung und die Hitzeverteilung lassen sich verfolgen. Die Software simuliert auch die Entlüftungsklappen und Ventilatoren – der Bauherr sieht rasch, ob das Brandschutzkonzept hält, was es verspricht. Die Kosten liegen je nach Komplexität des Gebäudes zwischen 10‘000 bis 15‘000 Franken für ein kleines Bürogebäude und 40‘000 bis 50‘000 Franken für ein ganzes Einkaufszentrum. Damit hätten die Experten in Berlin schon 2006 die Rauchentlüftung simulieren können und gesehen, dass es nicht funktionieren kann.

Simulation über Rauchausbreitung Simulation über Rauchausbreitung

Simulation über Rauchausbreitung

Simulation über Rauchausbreitung

Simulation über Rauchausbreitung
Die Simulation zeigt, wie sich der Rauch in den ersten Minuten des Brands ausbreitet (in Abständen von einer Sekunde gerechnet, hier eine Auswahl der Bilder). Die Software berücksichtigt auch kleine, lokale Turbulenzen. (Bild: Combustion and Flow Solutions)

Welche Rauchgase entstehen?

Die Simulation kann aber noch mehr: Ein Brand mottet meist zuerst eine Zeit lang – es „stinkt“ nur, ohne dass man eine offene Flamme sieht. Der PC simuliert auch diese Phase des Brandausbruchs und berechnet, welche chemischen Stoffe bei der unvollständigen Verbrennung bei tiefen Temperaturen entstehen. Das sind die Stoffe, die man riecht – und die man rechtzeitig mit Feuermeldern erkennen könnte. So liesse sich ein Brand frühzeitig erkennen, bevor der grosse Schaden angerichtet wird.

Änderung der Rauchausbreitung durch Balkon
Steht der Papierkorb unter dem Balkon, verbreitet sich der Rauch zuerst unter dem Balkon, bevor er später in den offenen Raum dringt. Solche Erkenntnisse sind wichtig für die Platzierung der Rauchsensoren. (Bild: Combustion and Flow Solutions)

Auch bei der Simulation muss deshalb zuerst festgelegt werden, was brennt. Ein Ölfass, ein Papierkorb, Karton oder ein Schreibtisch? Heute ist bei praktisch jedem Feuer auch Plastik drin. Die Simulationen zeigen, dass in einem frühen Stadium, wenn der Brand erst mottet, Wasserstoffgas (H2) entsteht. Das ist erstaunlich, denn man würde meinen, dass der hochreaktive Wasserstoff gleich verbrennt. Aber Messungen an realen Bränden zeigen, dass der Wasserstoff tatsächlich entsteht und zuverlässig detektiert werden kann. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Plastik aus Kohlenwasserstoffketten besteht und am Anfang bei den noch relativ tiefen Temperaturen unvollständig verbrennt. Die langen Kohlenwasserstoffketten werden zerstückelt in kleinere Moleküle und H2.

Da Wasserstoffgas sonst nicht in der Luft vorkommt, würde sich ein Brand schon in einem sehr frühen Stadium erkennen lassen. Die Hersteller von Brandsensoren entwickeln bereits solche Sensoren. Entsprechende Prototypen konnten evaluiert werden, werden allerdings momentan noch nicht eingesetzt. Sie funktionieren zuverlässig, sind aber relativ teuer, da sie kleinste Konzentrationen von Wasserstoff detektieren müssen.

Auch Kohlenmonoxid (CO) entsteht früh bei einem Brand und kann einfach detektiert werden – Sensoren dazu gibt es auf dem Markt. Allerdings erkennen sie auch das CO, das beim Zigarettenrauchen entsteht. Je nach Standort sind also Fehlalarme zu erwarten. Die üblichen Brandmelder wiederum detektieren die Russpartikel im Rauch. Nun ist der Brand aber schon in einem fortgeschrittenen Stadium und hat bereits Schaden angerichtet.

Wohin mit den Sensoren?

Simulation Luftstrom einer Klimaanlage
Genauso wie ein Brand kann auch der Luftstrom einer Klimaanlage simuliert werden. Hier in einem Computerraum.
(Bild: CD-adapco)

Eine weitere Frage ist die Platzierung der Brandsensoren. Muss der Sensor genau in der Mitte der Decke installiert werden? Oder könnte er auch am Rand etwas versteckt untergebracht werden? Die Simulation zeigt, wie sich die Rauchgase in einem Raum verbreiten. Oft nimmt man an, dass der Rauch direkt nach oben steigt, ja sogar wie in einem See an der Decke hängt. In Simulationen zeigt sich aber häufig, dass der Rauch verwirbelt wird und sich relativ schnell verteilt – sei es durch die Hitze des Feuers oder durch den Luftzug von offenen Türen und Klimaanlagen. So kann es durchaus sein, dass der Sensor auch etwas versteckt seine Funktion zuverlässig erfüllt. Um die Feuerpolizei ebenso davon zu überzeugen, dürfte allerdings ein Ausdruck der Simulation unumgänglich sein.

In Gebäuden wie Einkaufszentren mit Publikumsverkehr oder grossen Bürogebäuden mit vielen Mitarbeitern ist bei einem Brandausbruch auch immer die Frage, wie die Leute evakuiert werden können. Wie müssen die Fluchtwege angelegt werden? Wie kann der Rauch abgesogen werden? Wie stark ist die Sichtbehinderung durch den Rauch? Solche Situationen können in einem realen Gebäude nicht getestet werden. In der Simulation hingegen ist es kein Problem, den Brand soweit eskalieren zu lassen, bis sich ganze Hallen mit Rauch füllen.

Probleme mit hohen Räumen

Simulation Sonneneinstrahlung
Die Simulation der Sonneneinstrahlung zeigt, wo es für Personen unangenehm heiss werden kann. (Bild: CD-adapco)

Die Simulationen zeigen in der Regel, dass es schwierig ist, den Rauch aus hohen Räumen abzusaugen. Der Rauch verteilt sich in einer Halle, bevor er an der Decke abgesaugt werden kann. Während es also in einem Zimmer sinnvoll ist, alle Fenster zu schliessen und dem Feuer den Sauerstoff zu nehmen, sollte eine Halle eher mit Frischluft versorgt werden, damit die Personen flüchten können und deren Sicht nicht getrübt wird. In einem grossen Raum ist so viel Sauerstoff vorhanden, dass sich das Feuer so oder so ausbreiten würde, auch wenn alle Zugänge geschlossen sind. Es ist also wichtiger, den Personen Frischluft zuzuführen und den Rauch zu verdünnen, damit die Fluchtwege gefunden werden.

 

 

CAD-Daten der Räume

Natürlich muss jedes Gebäude individuell beurteilt werden, es gibt keine grundsätzliche Regel, die für alle Räume gilt. Es kommt stark auf die Geometrie an, auf allenfalls offene Türen, die vielleicht sogar Durchzug erlauben, grosse Tore und natürlich Klimaanlagen und Entlüftungsklappen. All diese Elemente müssen für die Simulation erfasst werden. Im Idealfall können dreidimensionale CAD-Daten von der Gebäudekonstruktion übernommen werden. Wenn nur zweidimensionale Pläne vorhanden sind, werden die 3D-Daten nachgezeichnet. In jedem Fall werden dabei die Räume auf die wesentlichen Elemente reduziert. So kann ein Geländer, das nur aus dünnen Stäben besteht, leicht weggelassen werden, ohne die Ergebnisse zu beeinflussen. Ein Geländer aus Glas hingegen muss erfasst werden, ebenso Säulen oder Balkone.

Varianten testen

Sind die Räume einmal erfasst, ist die grösste Arbeit getan. Nun können ohne hohe Zusatzkosten diverse Varianten durchgerechnet werden, mit Bränden an verschiedenen Stellen und unterschiedlichen Konfigurationen von Lüftungsklappen und Ventilatoren. Und da die Klimaanlage für die Simulation ebenfalls erfasst werden muss, können auch Berechnungen für den Normalbetrieb gemacht werden: Jeder Architekt kennt die Beschwerden von Mitarbeitern, weil es an ihrem  Arbeitsplatz „zieht“. Diese Luftbewegungen lassen sich bereits vor dem Bau simulieren. Die Luftauslässe können schon jetzt optimal platziert werden.